25. Mai 2019

Das Kapital hat beschlossen: „Es werde Europa!“ und wir “dürfen“ dafür sein!

Man meint es wäre mal wieder Fußball-WM, wenn man durch die Straßen deutscher Städte läuft. Mit dem Unterschied, dass der Identifikationspunkt diesmal nicht die Bundeself ist, sondern das Europaparlament. Die Werbetafeln, die einem sonst schmackhafte Bratwürstchen, oder pralle weibliche Brüste schwarz-rot-gold behangen, präsentieren, tragen nun, von denselben Konzernen beklebt, ernsthafte Slogans und versetzen uns in präapokalyptische Stimmung: „Triff deine Wahl, solange du noch kannst!“, „Kreuz ohne Haken! Am 26.05. zur Europawahl!“.

Die schwarz-rot-goldenen Fischer- und Cowboyhut tragenden Fanmeilengänger werden diesmal ersetzt von Bionadetrinkern in oversize EU-Hoodie: Meistens sind es übrigens genau diese Bionade-, oder wahlweise Soja Frappucino-, Trinker, welche die kollektive Identifikation der ersteren Fraktion auf der Fanmeile „schwierig“ bis „nationalistisch“ und mit Sicherheit „nicht harmlos“ finden.

Wir sehen: Diesmal praktizieren die Guten ihren Identitätsmythos. Nicht die Ewiggestrigen. Diesmal geht es um viel Gutes und gegen viel Schlechtes: Es geht darum den Frieden, die Freiheit, die Demokratie zu retten! Und ein Zeichen zu setzen für Klimaschutz und gegen Nationalismus und generell auch für die Menschenwürde und sowas. Toleranz und Nächstenliebe. Und natürlich gegen Hass!!!!

Also wen das noch nicht überzeugt hat, sich am Sonntag Richtung Wahlurne zu bewegen, für den hat die BRD noch den ein oder anderen Einpeitscher in Petto:

Bist du besorgt, dass der Klimawandel bereits die Apokalypse einleitet? Klimagreta hat DAS ultimative Machtmittel schlechthin für dich bereit! Geh zur Wahl!

Ist es eher das Abendland, was dich nachts nicht schlafen lässt? Die Furcht vor marodierenden, zähnefletschenden Ausländern, die als Teil der „Gucci Bande“ deinen Opa einfach aus Spaß und blanker Niedertracht abstechen? Oder willst du einfach deinen Diesel behalten? Kein Problem: Die Bildzeitung hat dir nicht nur neue Ängste zu bieten, sondern auch gleich die Lösung: Sei diesmal ein waschechter Rebell und mach dein Kreuz!

Und auch der neue Österreich Skandal um den Ex Koksnasen-Vizekanzler Hans Christian Strache, spielt wieder beiden Fraktionen Wahlbeteiligung ein. Du kannst nun, je nach Vorliebe, dem Putschisten Böhmermann mit deinem Kreuz eins auswischen und deinen geliebtem Ex Vizekanzler die Treue halten, oder aber durch diese enthüllten Pläne eines Angriffs auf das heilige Gut der Pressefreiheit den mutigen Schritt couragiertesten Antifaschismus begehen: Richtung Wahlurne.

Wie schön! Es wird wieder gewählt! Und für jeden ist etwas dabei! Dabei steht doch eigentlich bei dieser Wahl wieder, wie immer übrigens, das Ergebnis bereits vorher fest:

Denn was da gewählt wird, das ist die Europäische Union. Und für die, das vermittelt uns dieser ganze dämliche Zirkus, hat man zu sein, als anständiger Staatsbürger. Einem fällt bei genauerer Betrachtung auf, wir werden nicht an die Wahlurne bestellt, um eine Entscheidung zu fällen. Unser sogenanntes demokratisches Mitbestimmungsrecht ist ein Witz. Eine Farce. Wir haben Europa zu wählen. Wir sollen ein Kreuz machen um in der Wahlstatistik zum Ausdruck zu bringen, dass das deutsche Wahlvolk, ein artiges und europabegeistertes Wahlvolk ist.


Aber mal im Ernst: Zu was dürfen wir da eigentlich zustimmen? Die Europäische Union ist in Wahrheit nichts als ein imperialistisches Bündnis. Sie wurde nicht gegründet, weil die europäischen Imperialisten plötzlich reumütig wurden und einsahen, welches Leid und Elend sie in den vergangenen 2 Weltkriegen über die Menschheit gebracht hatten. Ganz im Gegenteil: Es ging bei der Gründung der Europäischen Union von Anfang an darum die Interessen der stärksten imperialistischen Mächte in Europa - in Konkurrenz zur USA - durchzusetzen.

Europa, Europa über alles…

Die Niederlage Nazideutschlands 1945 warf die deutschen Monopolkapitalisten vorerst weit hinter die Konkurrenten zurück. Als Juniorpartner der USA in der Frontstellung gegen die Sowjetunion konnte die BRD aber schnell aufholen und die europäischen Konkurrenten in vielen Bereichen überholen. Die transatlantische Region von den USA und Westeuropa wurde zur Region mit der höchsten Kapitalverpflechtung. Entgegen aller herrschenden Propaganda war der Marshall-Plan keine selbstlose Unterstützung für Westeuropa, sondern in erster Linie ein Investitions- und Marktöffnungsplan für Banken und Konzerne aus den USA.

Mit den „Römischen Verträgen“ von 1957 begannen die BRD, Frankreich, Italien und die Benelux-Staaten damit, aus Europa eine Supermacht zu machen. Was in 2 blutigen Weltkriegen nicht möglich war, sollte nun Realität werden: Das westdeutsche Finanzkapital konnte nun - gestützt auf sein ökonomisches Übergewicht - über die EWG seine Vorherrschaft im kapitalistischen Westeuropa erringen.

Im Vergleich zum 2. Weltkrieg geschieht die Eroberung von inner europäischen Absatzmärkten heute relativ friedlich. Allerdings haben staatliche Vereinbarungen und Kartelle der Imperialisten wie die Europäische Zahlungsunion, die Montanunion und der Gemeinsame Markt, mit friedlicher Zusammenarbeit der Völker gar nichts zutun. Sie sind bloß neue Instrumente der Aufteilung der Welt durch die größten Kapitalistenvereinigungen.

Keiner der EU Staaten hat die expansionistischen Bestrebungen aufgegeben, die seinen jeweiligen Rechtsvorgänger einst zum Waffengang bewogen haben. In Europa geht es weiterhin nur um Profitmaximierung und die Erschließung neuer Absatzmärkte. Schon Lenin analysierte zur Frage der "Vereinigten Staaten von Europa", sie seien "unter kapitalistischen Verhältnissen gleichbedeutend mit Übereinkommen über die Teilung der Kolonien. Unter kapitalistischen Verhältnissen ist jedoch jede andere Basis, jedes andere Prinzip der Teilung als das der Macht unmöglich."

Somit ist die Europäische Union unter deutscher Führung auch nicht das Gegenteil zum blutigen Imperialismus des deutschen Kaiserreichs und des Hitlerfaschismus, sondern seine Fortführung unter anderen Vorzeichen. Doch im Gegenteil zum alten Nationalismus ist der Euronationalismus eine Ideologie, die beim weltoffeneren Wahlvolk noch nicht verbrannt ist und die sich sogar explizit antirassistisch labelt. Dabei wohnt dem Europawahn derselbe Standortnationalismus inne - nur im größeren Stil. Am europäischen Wesen soll die Welt genesen! Wenn wir nun als Europäer ordentlich in der Welt Verantwortung übernehmen gehen, ist das nicht so wie damals. Wir sind nun eine (gute) Wertegemeinschaft und keine (böse) Volksgemeinschaft. Europa über alles.

Während dem Volk abgewöhnt werden soll sich zu ärgern, wenn heimische Fabriken ins benachbarte Rumänien abhauen, weil da die Lohnstückkosten geringer sind, besteht gegenüber allen nicht europäischen Staaten dieselbe feindliche Haltung, wie eh und je im Imperialismus.

Wofür wir am morgigen Sonntag also unser Kreuz setzen sollen, ist nichts anderes als die Herrschaft des Finanzkapitals in Europa.

Die EU: Ein Projekt für Frieden in Europa?

Und während das europäische Wahlvolk mit der Losung „Für Frieden und Sicherheit in Europa“ davon überzeugt werden soll, dass die Kriege, die wir führen, niemals bei uns ankommen werden, heisst es auswärts Krieg und Destabilisierung für den Rest der Welt". Und solange es an der Heimatfront keinen stört, können in Libyen oder Syrien heiter "Diktatoren" weggebombt werden, dem saudischen Regime Waffen für den Krieg gegen das jemenitische Volk verkauft werden oder in Mali durch Soldaten Uran für französische Atomkraftwerke abgebaut werden. Jeder ist eingeladen beim Euronationalismus mitzumachen, ob liberal, sozialdemokratisch oder konservativ, wichtig ist nur, dass die Blutspuren auf dem Weg zum Exporterfolg nicht beachtet werden. Statt „Alles für Volk, Rasse und Nation heisst es nun „Alles für EU, EZB und IWF und während sich an der Festung Europa die Leichenberge türmen, verkünden grüne Europa-Fanatiker: „Europa ist die Antwort!“.

Neben denen, die es erst gar nicht nach Europa schaffen, denen, die hier als Geflüchtete ankommen und als Lohndrücker von den Herrschenden missbraucht werden und zu Sklavenbedingungen im imperialistischen Zentrum schuften müssen, sind die größten Verlierer bei diesem imperialistischen Projekt die süd- und osteuropäischen Länder. Hier treten die EU-Vertreter de facto als neue Kolonialherren auf und pressen die heimische Arbeiterklasse bis auf den letzten Cent aus. Ländern wie Griechenland und Spanien werden - wie nach der Wirtschaftskrise 2009 - Privatisierungen und die Rekapitalisierung der Banken aufgezwungen, und Konzerne so in ein direktes Abhängigkeitsverhältnis von ausländischen Kapitalgruppen gebracht. Und wenn dann doch ein Staat mal seine Rolle als Kolonie in der Europäischen Union nicht länger akzeptieren will? Dann ist plötzlich Schluss mit lustig und die Imperialisten zeigen Dir wo dein Platz in der Nahrungskette ist. Als die linksreformistische Syriza-Regierung es wagte, 2015 das Volk über das ihnen von EU, IWF und EZB aufgezwungene Sparpaket abstimmen zu lassen, reichte es den europäischen Neu-Kolonialisten. Kurzerhand hielt man der griechischen Regierung die Pistole an die Schläfe: Die EZB stellte den griechischen Banken keine zusätzlichen Refinanzierungs-Kredite mehr zur Verfügung, was dazu führte, dass die griechischen Banken für eine gesamte Woche geschlossen bleiben mussten. Erpressung EU-Style.

Und selbst das Versprechen auf europäischem Boden keine Kriege mehr zu führen, bleibt uneingelöst. Beispiel Ukraine 2014: Die Klitschko-Partei "Block Petro Poroschenko Solidarität" - von der deutschen Konrad-Adenauer Stiftung finanziert und aufgebaut - organisierte gemeinsam mit der faschistischen Nachfolge-Partei Svoboda einen brutalen Putsch gegen die bis dato Russland-verbundene Regierung. Der Grund dafür? Die Ukraine hatte es gewagt ein Assoziierungs-Abkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen, von dem besonders die deutsche Wirtschaft extrem profitiert hätte.

Das ist ihre Demokratie. Konflikte werden nur solange friedlich gelöst, wie sich die eigenen Interessen ohne kriegerische Mittel durchsetzen lassen. Und wenn mal einer muckt, installiert man eben eine faschistische Putsch-Regierung. Und so wurde unter dem Banner der Europäischen Union die letzte Lenin-Statue Kievs gestürzt, Gewerkschafter in ihrem Gewerkschaftshaus angezündet und Juden wieder auf offener Straße gejagt. All das unter dem Jubel deutscher Pro-Europäer wie der Grünen Partei, die sich zur diesjährigen EU-Wahl hübsche Friedenssymbole auf die Plakate drucken lassen.

Ein anderes Beispiel ist die NATO-Bombardierung serbischer Städte 1999 aus der Luft und mit Marschflugkörpern, durch die tausende Menschen starben. Auch hier spielten die Grünen wieder eine entscheidende Rolle einen völkerrechtswidrigen Krieg (den ersten seit Ende des 2. Weltkrieges unter deutscher Beteiligung) öffentlichkeitswirksam zu legitimieren um auch dem letzten Friedensbewegten die Parole „Durch Krieg schafft man Frieden“ einleuchten zu lassen. Und so wäre es wenig überraschend, wenn der nächste Tabu-Bruch deutscher Außenpolitik unter Beteiligung der Linkspartei von statten ginge. Denn wer könnte glaubwürdiger für die Notwendigkeit eines Krieges argumentieren, als eine Partei, die Kriege doch eigentlich ablehnt?

Keine „Alternative“ ?

Was ist mit denn mit dieser vielbesungenen „Alternative“? Gibt es nicht jetzt von rechter Seite eine ganze Reihe Parteien, die die EU abschaffen wollen? Und sollte man die EU nicht gegen solche nationalistischen Bestrebungen verteidigen?

Der Widerspruch, der zwischen Parteien wie der FPÖ, der AfD, dem Front National und den Systemparteien an der Macht besteht, ist ein Widerspruch innerhalb der herrschenden Klasse. Während die einen den Integrationsprozess vorantreiben wollen, möchten die anderen lieber einen anderen imperialistischen Weg beschreiten, indem sie beispielsweise zu einem nord- und mitteleuropäischen Block der imperialistischen Kernstaaten zurückkehren. So ist z. B. ein Teil der deutschen Industriekapitalisten unzufrieden damit, dass die europäischen Ziele bezüglich der heimischen Industrieproduktion hauptsächlich an die Stärkung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten geknüpft sind und somit die Einheitswährung die Ausgangsbasis der deutschen Industrie, die durch den gemeinsamen Markt geschaffen wurde, untergraben. Während die einen die Nähe zum nahegelegenen imperialistischen Russland suchen und durch die Konfrontationspolitik mit Putin ihre Profite in Gefahr sehen, kann einem anderen Teil der herrschenden Klasse die Konfrontation und Kriegshetze gar nicht schnell genug gehen, da ihre Interessen eng mit denen des US-Imperialismus verbunden sind. Für uns ist klar: Diese beiden Fraktionen des Kapitals sind zwei Seiten einer Medaille, die wir beide bekämpfen. Weder wollen wir ein zurück zum kapitalistischen Nationalstaat, noch einen supra-imperialistischen Großstaat, der seine Interessen geeint gegen die Völker der Welt vertritt.

Der ganze Konflikt rund um den Brexit zeigt außerdem, dass die rechten EU-Gegner - kommt es hart auf hart - ihr Programm nicht mal durchsetzen. Viel zu eng ist auch das britische Kapital längst mit dem der europäischen Staaten verflochten, als dass es noch einen Rückweg zum Protektionismus geben könnte. Die rechten Parteien innerhalb der EU sind in Wahrheit keine Alternative zur EU, sie sind ein Teil von ihr.

BOYKOTT!

Was bleibt Dir also übrig, wenn morgen die Wahlen anstehen und von links bis rechts der Slogan ertönt Geh wählen! Das ist die Macht, die du als Bürger in diesem Staat hast!? Ganz einfach: Lass dich nicht verarschen!

Wer wählt, stimmt zu! Egal wo wir unser Kreuz setzen werden, was wir bekommen, ist: Krieg, Imperialismus, Ausbeutung, reaktionärer Nationalismus, Klimaverpestung und - in jedem Fall - die Unterstützung von Faschisten, eben da wo sie der Europäischen Union gerade nutzen. Dieses System lässt sich nicht abwählen, diejenigen, die an der Macht sind, lassen sich von "Protestwählern" herzlich wenig beeindrucken. Echte Veränderung passiert nicht im Parlament, sondern überall dort, wo das Volk alle Brücken mit dem System abbricht und sich bewegt. Die deutschen Imperialisten freuen sich über jeden anständigen Staatsbürger an der Wahlurne. Und sie fürchten jede unanständige Artikulation unserer Interessen, wie die französische Gelbwestenbewegung oder die deutsche revolutionäre Jugendbewegung.

Am Sonntag sein Kreuz machen heißt „Ja!“ zur EU. Und „Ja!“ zur EU, das heißt „Ja!“ zu brennenden Gewerkschaftern in Odessa, „Ja!“ zu erschossenen Demonstranten in Frankreich. „Ja!“ zum Klimawandel, „Ja!“ zu Frontex. „Ja!“ zu Krieg im Nahen Osten, „Ja!“ zu Israel. „Ja!“ zur demokratisch geschminkten Diktatur der EZB und des IWF.

Das einzig kraftvolle „Nein!“ ist eine größtmögliche Nichtwählerstatistik!

BOYKOTTIERT DIE EU WAHLEN!
KÄMPFT FÜR DEN SOZIALISMUS!