2. August 2017

Werner Seelenbinder lebt im Kampf!

Gestern begingen wir den 113. Geburtstag des Genossen Werner Seelenbinder, besuchten seine Gedenktafel in der Neuköllner Thomasstraße und seine kleine Gedenkstätte auf der nach ihm benannten "Werner-Seelenbinder-Kampfbahn" bzw. dem "Werner-Seelenbinder-Sportpark". Dort führten wir eine Andacht durch und hielten eine Rede. Danach gingen wir gemeinsam zum Kampfsport, wo wir ebenfalls den Kämpfer, Kommunisten und Sportsmann Seelenbinder würdigten.


Für Werner!

Wir, als deutsche Revolutionäre und Antifaschisten gedenken heute, an seinem Geburtstag, einem unserer Vorbilder und Helden. Einem aus unseren Reihen. Einem mit dem wir den Stadtteil, den Hass, die Träume, die Klasse und den Sport gemeinsam haben: Werner Seelenbinder.

Werner war ein wahrer Sohn unserer Klasse. Geboren wurde er am 2. August 1904. Die Mutter zog mit ihm von Stettin nach Berlin-Friedrichshain und schon früh war es bitterste Armut, die das Leben der Seelenbinders prägte. Bittere Armut auf der einen und harte Arbeit auf der anderen Seite. Werner arbeitete als Hilfstischler, Hotelpage und als Hausdiener in einer Fabrik um Geld nach Hause zu bringen. Erst viel später erhielt er eine feste Anstellung als Transportarbeiter in einem AEG-Betrieb.

Es war eben dieses Leben, welches ihn in unsere Reihen brachte. Er studierte Marx und Lenin und folgte dem Befehl der Klasse und schloss sich den Kommunisten an. Seine Freunde beschrieben ihn als fair, bescheiden, risikobereit und mit einem unbändigen Gerechtigkeitsgefühl ausgestattet. Nicht nur politisch, sondern auch menschlich und von seinem ganzen Wesen her: Er war ein Revolutionär durch und durch.
Den Ausgleich zu den Pflichten in seinem Leben fand Werner beim Kraftsport und beim Ringen. Er begann 1917 beim Arbeiter-Athletenclub "Eiche", einem Verein für Ringen und Gewichtheben. Er konzentrierte sich auf den Ringkampf und startete für den Sportclub "Berolina", hier in Berlin-Neukölln.

Sprechen wir darüber, was Werner für ein Sportsmann war um uns ein Bild davon zu machen, was er für ein Mensch gewesen ist: Berühmt wurde er für seine raue, etwas ungestüme und kraftaufwändige Art zu kämpfen. Er kämpfte im griechisch/römischen Stil, indem es ausschließlich darum geht den Gegner oberhalb der Gürtellinie zu greifen und indem der Sieg nicht nach Punkten, sondern durch den Schultersieg vergeben wird: Die totale Niederwerfung des Gegners, mit beiden Schultern auf der Matte. Seine Spezialität war der Hüftwurf, den die Sportler der Sowjetunion von nun an ehrfürchtig den „Seelenbinder“ nannten.

Werner ist ein begabter Ringer. Von 1925 gewinnt er jedes Turnier an dem er teilnimmt. 1928 holt er Gold bei der Spartakiade, dem kommunistischen Gegenentwurf zur Olympiade in der Sowjetunion. 1930, 1. Platz beim internationalen Turnier der Arbeiterringer in Moskau. 1931, 2. Platz bei der Weltmeisterschaft der Arbeiterringer in Oslo.

Trotz dieser herausragenden Erfolge, lehnt er eine bürgerliche Sportskarriere ab. Diese hätte in etwa dem Lebensstil der Pop- und Rockstars der heutigen Zeit entsprochen. 30 Mark pro Abend, hieß die Aussicht die er ablehnte, für die damalige Zeit ein ausschweifungsreicher Lebensstil. Der bescheidene Prolet schlug sich lieber mit niedrigsten Gelegenheitsarbeiten durch die Zeit der Weltwirtschaftskrise, war oftmals arbeitslos und hatte immer gerade genug Geld für sein Training. Er wählte den graden Weg. Anstelle der Karriere wurde Seelenbinder KPD-Mitglied. Nicht nur auf dem Papier, sondern aus ganzem Herzen und mit festem Willen, auch in den schwärzesten Zeiten der politischen Verfolgung nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler. Es waren vor allem Propagandatätigkeiten, Flugblatterstellung und Flugblattaktionen die in Seelenbinders Tätigkeitsbereich fallen. Ebenso nutzt er die sportsbedingten Reisen in andere Länder um Kontakte zu knüpfen und um Propagandamaterial weiterzugeben und entgegenzunehmen.

1933, im Angesicht des Straßenterrors der SA und der Übergabe der Weimarer Republik an die NSDAP-Faschisten, beschließt er für seine Überzeugung öffentlich einzustehen: Im Saalbau Friedrichshain erringt er den Deutschen Meistertitel. Als bei der Siegerehrung die Nationalhymne erklingt, bleibt der Arm von Werner Seelenbinder unten. Für die Herrschenden eine Provokation sondergleichen – die öffentliche Verweigerung des Hitlergrußes. Ein Zeichen wahrer und offener proletarischer Haltung.

Drei Wochen später rächt sich das Regime. Die Gestapo verhört ihn, deportiert ihn ins KZ Columbiadamm und verbietet ihm das Ringen. Freunde aus dem Ringerverband setzen sich für seine Freilassung ein und haben Erfolg. Seine Ringerzulassung erhält er aufgrund seines Talentes zurück: Das Deutsche Reich braucht einen Ringer für die anstehende Heimolympiade. Niemand anders in seiner Kampfklasse ist so erfolgsversprechend wie Werner Seelenbinder.

Seelenbinder plant eine weitere große Aktion: Er gibt den angepassten Systemgläubigen um für die Olympiade zugelassen zu werden. Er ist sich sicher Gold zu holen, da er diesmal nicht nur aus sportlichem Eifer, sondern vor allem aus antifaschistischem Widerstandswillen antritt. Für den Fall seines Sieges hat er vor im Olympiastadion eine kleine Rede zu halten um das NS-Regime international anzugreifen und zu demaskieren, als den abscheulichen faschistischen Terrorstaat, welches es war. Alle Versuche der bürgerlichen Historiker aus Seelenbinder einen Feigling zu machen, welcher Angst vor dem Märtyrertod hatte, scheitern an dieser Tatsache: Er war sich bewusst welchen Preis er für eine Rede vor so einem Publikum zu bezahlen hatte und er war bereit diesen Preis zu bezahlen.

Es kommt der 1. August 1936. Monatelang hat er sich für diesen Tag geschunden, selbst an seiner Taktik gefeilt. Denn bei Olympia bestimmt das von ihm so ungeliebte Punktesystem den Sieger, nicht wie im Arbeitersport üblich der Schultersieg. Kurz vor Turnierbeginn werden enge Genossen von Seelenbinder verhaftet, auch er muss jetzt die Enttarnung fürchten. Der Druck ist immens. Gleich der erste Kampf gegen den Letten Bietags geht verloren. Seelenbinder kämpft sich mit zwei Siegen zurück ins Turnier, doch an dem Schweden Cadier beißt er sich die Zähne aus. Der Deutsche verliert und wird am Ende nur Vierter. Das Podest und die Rede bleiben ihm auf ewig verwehrt. Es war der Druck, das Punktesystem, die Anspannung. Man kann es ihm nicht zum Vorwurf machen. Er hat alles gegeben.

Doch auch nach großen Niederlagen geht das Leben und allem voran der Kampf weiter: Er wird noch dreimal deutscher Meister und er bleibt Mitglied einer KPD-Zelle, der Gruppe um den Genossen Robert Uhrig. Diese Gruppe baute ein landesweites, konspiratives Informationsnetz zwischen Widerstandsgruppen auf, gründete eine Untergrundzeitung, führte Sabotage-Aktionen durch, sammelte Informationen über die wirtschaftliche und militärische Lage des Reiches zur Schaffung einer Gegenöffentlichkeit und als Spionage für die Sowjetunion. Als er den Genossen Alfred Kowalke bei sich unterkommen ließ, schlug die Gestapo, welche ihn monatelang bespitzelt hatte zu. Die gesamte Widerstandsgruppe wurde zerschlagen und auch Seelenbinder landete im Zuchthaus. Er verbrachte 2 ½ Jahre in diversen Zuchthäusern und Gefängnissen, bis die Nazis ihn schließlich ermordeten, indem sie ihm den Kopf vom Hals schlugen.

Das war Werner Seelenbinders aufrechtes, ehrenvolles und bewegtes Leben. Das Leben eines Kämpfers, Sportsmannes und Kommunisten. Das Leben eines Berliner Arbeiters im Kampf gegen den Faschismus. Das Leben eines großen Kampfsportlers.

Wir wollen einige Lehren aus seinem Leben ziehen und einige Dinge klarstellen um sein Gedenken zu einer Waffe im Kampf zu machen:

1. Werner Seelenbinder war nicht der harmlose Götze den der Berliner Senat in ihm gern hätte. Werner Seelenbinder war ein Militanter und ein Kommunist. Er trug sein Leben in den Fingerspitzen, stets bereit es zu geben, damit andere in Freiheit leben können. Er war kein Feigling und kein „harmloser, gutgläubiger hilfsbereiter Trottel“, den die Kommunisten ausnutzten. Wir verurteilen den Versuch der Bourgeoisie uns unsere Märtyrer zu nehmen und sie in harmlose Individuen zu verwandeln und aus dem Kontext des Klassenkampfes zu reißen.

2. Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Die Stunden im Ring, die Erfahrungen sich ständig aufs Neue unter Mobilisierung aller verfügbaren Kräfte dem Gewicht des Gegners entgegenzuwerfen und die Routine sich ständig zu disziplinieren und Herauszufordern im täglichen Training formten mit den starken und kämpferischen Geist Werner Seelenbinders. Sport ist Bestandteil unserer Ideologie und Teil des Wesens der proletarischen Klasse. Als junge Revolutionäre lehnen wir die Verfallserscheinungen des Imperialismus ab und hassen den hedonistischen Lebensstil den die bürgerlichen Medien predigen. Wir treiben Sport und schleifen Körper und Geist zu Waffen die den Feind zermalmen und dem Volke dienen sollen. Der Vereinzelung und dem bürgerlichen Individualismus stellen wir den kollektiven Geist proletarischer Sportskameraden entgegen, die auf einander achten, einander anspornen und unterstützen und immer fair und kameradschaftlich zueinander sind.

Wir schließen mit den letzten Worten Werner Seelenbinders, einem bewegenden Zitat aus seinem Abschiedsbrief:

„Genossen, Kameraden! Bald werde ich nicht mehr unter den Lebenden verweilen. Meinen Kampf für Frieden und Sozialismus muss ich mit dem Leben bezahlen. Ich habe keine Angst vor dem faschistischen Henkerbeil, doch ich bin traurig, dass ich den Zusammenbruch des Faschismus und den Sieg des Sozialismus in Deutschland nicht mehr miterleben kann. Mein Wunsch, die rote Fahne durch Berlin tragen zu dürfen, bleibt mir unerfüllt, doch die Kameraden, die an meine Stelle treten, werden genauso stolz das rote Banner der Freiheit tragen. Genossen, lasst mich in euren Herzen weiterleben!“

Kämpft und treibt Sport im Geiste Werner Seelenbinders!

Alles Gute zum 113. Geburtstag Genosse, die Erinnerung an dein Leben erfüllt uns mit Stolz und Ehrfurcht!