Die Wahrheit von der Lüge zu unterscheiden ist nicht immer einfach. Um das zu tun, muss man sich fragen: Wer bestimmt, was die Menschen glauben sollen? Wer besitzt die Instrumente, die vermeintliche Wahrheit unter die Menschen zu bringen? Und welche Wahrheit nützt ihm?
Kurz gesagt: Wer besitzt die Welt?(1)
Heute ist der Todestag von Edith Lagos. Sie war die Tochter eines Kaufmanns aus Ayacucho, Studentin der Rechtswissenschaften, doch in erster Linie war sie Militante der Kommunistischen Partei Perus, Tochter des peruanischen Volkes. Sie war im bettelarmen Ayacucho geboren und aufgewachsen, ging zum Studieren nach Lima, schloß sich dort der revolutionären Bewegung an und trat der Kommunistischen Partei Perus bei. Sie ging wieder in ihre Heimatgegend zurück und führte Agitation unter armen Bauern und Studenten. Sie geriet in Gefangenschaft und wurde im Gefängnis von Ayacucho inhaftiert. Im März 1982 führte die Partei eine organisierte Aktion durch, im Zuge deren mehrere Hundert revolutionäre Gefangene aus dem Gefängnis befreit wurden, darunter auch Edith Lagos. Sie wurde dabei am Bein verletzt, wurde von Bauern gesund gepflegt und konnte ihre Tätigkeit im Dienst der Revolution wiederaufnehmen. Der peruanische Staat fahndete mit allen Kräften nach ihr.
Am 3. September 1982 führte sie einen Guerrillatrupp an, als dieser von einer Aufstandsbekämpfungseinheit der Polizei entdeckt wurde. Obwohl die Kämpfer zahlenmäßig stark unterlegen waren, verteidigten sie sich zwanzig Minuten lang gegen die Angreifer und schließlich mussten die Polizeikräfte einen Hubschrauber hinzuholen, um Herr der Lage zu werden. Schließlich waren alle Guerrillakämpfer tot – gemäß der Taktik des peruanischen Staates, bei Verdacht auf Gruppen von Menschen, die der KPP angehören oder Unterstützer oder Sympathisanten sein könnten, die gesamte Gruppe auszulöschen. Die offizielle Version, die von den Medien verbreitet wurde, lautete: Edith Lagos hatte versucht, einen Lastwagen zu stehlen, um fahren zu lernen, und sei dabei einen Abhang runtergerollt und ums Leben gekommen.
Bei ihrer Beerdigung in Ayacucho waren über 30 000 Menschen anwesend, bei einer Stadtbevölkerung von 70 000. Ihr Sarg, mit einer Parteifahne bedeckt, wurde durch die Straßen ihrer Heimatstadt getragen und es regnete Blumen von Balkonen und aus Fenstern. Es wurden revolutionäre Lieder gesungen und Parolen gerufen.
Zum Zeitpunkt ihres Todes – 3. September 1982 – war Edith Lagos erst 19 Jahre alt.
Sie wird bis heute als Heldin gefeiert: jung, hübsch, mutig, hatte sie sich für die Interessen der Armen eingesetzt und ihr Leben nicht geschont. Auf diese Weise wird sie aus ihrer Geschichte gerissen und schamlos als Instrument benutzt, um die KPP und den Volkskrieg zu verunglimpfen. Sie hätte ihr Leben „früh genug“ gegeben und hätte ihre Hände nicht mit Blut besudelt, in dem der „Leuchtende Pfad“ das Land in den nachfolgenden Jahren überschwemmt hätte.
Edith Lagos war Mitglied der Kommunistischen Partei Perus. Sie hat ihr Leben in den Dienst der Revolution gestellt. Durch sie sprach die Partei, sprach die Revolution, sprach der Volkskrieg. Kraft ihrer Überzeugung und ihres Mutes brachte sie diese Wahrheit – die Wahrheit, die dem Volke diente – unter die Menschen, und deshalb wurde sie vom Volk geliebt; nicht, weil sie hübsch und jung war. Zehntausende Menschen kamen zu ihrer Beerdigung, weil sie einer Bewegung angehörte, die die Ausbeutung und Unterdrückung hinwegfegen sollte, die das peruanische Volk seit Jahrhunderten knechtete und über die richtige Ideologie und die Kampfmittel verfügte, dies in die Wirklichkeit umzusetzen.
Edith Lagos ist ein Beispiel für uns als revolutionäre Jugend – wegen ihrer starken revolutionären Überzeugung, wegen ihrer Liebe zum Volk, ihres Mutes und ihrer Disziplin. Sie lehrt uns, dass man früh Verantwortung übernehmen soll, dass die Jugend die Flamme ist, die das revolutionäre Feuer entfachen kann und dass jung sein und Frau sein nicht vor der Barbarei des Imperialismus schützt – im Gegenteil. Und Edith Lagos ist insbesondere ein Beispiel für alle jungen Frauen, weil sie ihren Mut, ihre Stärke und ihre Wut in den Dienst der Revolution gestellt hat, ihr Leben für die Befreiung des Proletariats nicht geschont hat und damit grenzenlose Liebe zum Volk und Vertrauen in den Sieg der Volksmassen über den Imperialismus bewiesen. Sie hat damit auch bewiesen, dass der Kampf um die Emanzipation der Frau untrennbar mit dem Kampf um die proletarische Revolution verbunden ist. Die Erinnerung an Edith Lagos und andere revolutionäre Kämpferinnen reißt den Vorhang der bourgeoisen Kultur herunter mit all ihren Schönheitsidealen, Vorurteilen, Lebenszielen und falschen Vorbildern und lässt uns die Wahrheit erkennen: Richtig handelt, wer den Massen dient, und keine imperialistische Lüge kann das verbergen.
1 Leider war es nahezu unmöglich, übereinstimmende und verlässliche Fakten über Leben und Tod von Edith Lagos zu finden – sowohl in deutsch-, englisch- als auch spanischsprachigen Quellen. Wir haben unser Bestes getan und haben uns bemüht, die wenigen Krumen an Wahrheit herauszufiltern und die Quellen zu überprüfen, um die Ehre von Edith Lagos und allen kämpfenden Frauen hochzuhalten.