300 Menschen beteiligten sich an der roten und antiimperialistischen 1. Mai-Demonstration in Berlin. Am diesjährigen Kampftag der Arbeiterklasse wurde die Tradition der revolutionären 13-Uhr-Demonstration im proletarischen Viertel Berlin-Neukölln erfolgreich wiederaufgenommen und mit neuem Leben gefüllt.
DIE MOBILISIERUNG
Im letzten Jahr haben wir in unserer Auswertung des 1. Mai 2015 mit Bezug auf die morgendliche DGB-Demonstration festgestellt: „Klar ist jedoch auch, dass diese Demonstration fernab der Arbeiterviertel, auf der alle möglichen Sozialdemokraten und andere Opportunisten Klassenversöhnung und Unterwürfigkeit predigen, in Zukunft am 1. Mai nicht Hauptplattform unseres politischen Ausdrucks in der Stadt bleiben kann“ (Bericht: Der 1. Mai 2015). Dieser Einschätzung folgend, haben wir in diesem Jahr den Beschluss gefasst, nach 6 Jahren erstmals wieder eine 13-Uhr-Demonstration zu organisieren, die ihrem Charakter nach „antiimperialistisch, proletarisch und rot“ sein sollte.
Auf unsere Einladung an verschiedene fortschrittliche und internationalistische Organisationen und Gruppen hin, die auch eine Kritik der anderen Demonstrationen in Berlin an diesem Tag beinhaltete (Warum 13-Uhr-Demonstration?), unterstützten vor allem die Genossen von ADHK Berlin, Red Liberation Cottbus, Venceremos und die Antikapitalistische nichtweiße Gruppe das Anliegen und griffen die Initiative mit auf.
Mit einem ideologisch recht scharfen Aufruf unter der Losung „Wehrt euch und kämpft gegen Ausbeutung, Unterdrückung und imperialistischen Krieg – Keine Befreiung ohne Revolution“ auf deutsch, türkisch und russisch eröffneten wir die Mobilisierung, die in mehreren Wochen auf verschiedenen Ebenen durchgeführt wurde. Neben der politisch-ideologischen, die mit dem offiziellen Aufruf und Plakaten in politischen Cafés, auf Demos und Kundgebungen antiimperialistische und revolutionäre Kräfte mobilisierte und im Linienkampf klar rote Farbe bekannte, war vor allem die Ebene der Massenagitation im Viertel präsent.
Ein Anwohnerflugblatt des Jugendwiderstands zum 1. Mai wurde bei Verteil- und Steckaktionen an allen Nordneuköllner U-Bahnhöfen, in U- und S-Bahnen, vor Einkaufszentren, auf Marktplätzen und in den Straßen tausendfach verteilt. In Spätis, Bäckereien und Cafés hingen unsere Plakate in den Schaufenstern. Gemeinsam mit aufgehängten Transparenten mit Losungen wie „Neuköllner wehrt euch und kämpft – Heraus zum 1. Mai!“, Wandbildern und Graffitis trugen sie den 1. Mai ins Viertel, direkt zu unserer Klasse und sind Ausdruck unserer Massenlinie.
Auch die anderen Kräfte halfen teilweise stark bei der Mobilisierung. In Cottbus wurden Plakate geklebt, Stencils und Graffiti gesprüht und ein Mobivideo gedreht. Die Antikapitalistische nichtweiße Gruppe mobilisierte unter der korrekten Parole „Wir können uns nur selbst befreien!“ mit eigenen Aufklebern und einem Aufruf zur Demonstration. ADHK verwirklichte Aktionen zum 1. Mai unter der Losung „Tragen wir am 1. Mai den Kampfgeist für Einheit und Solidarität auf die Straßen“.
Genau dazu dient der erste Mai den Revolutionären. Während die Demonstration selbst Ausdruck des Klassenbewusstseins, der Organisiertheit, Stärke und Einheit der Unterdrückten sein soll, ist die Phase der Mobilisierung für die Revolutionäre – gerade in Berlin – eine konzentrierte Möglichkeit Propaganda für Revolution und Kommunismus zu entfalten und zu den Massen zu tragen, nicht um sich pseudopolitische bürgerliche Schaukämpfe mit allerhand Reaktionären um Routen oder „Bündnisbeteiligte“ in der Presse zu liefern.
Mit Bezug auf unsere eigene Mobilisierung müssen wir selbstkritisch feststellen, dass einige Beschlüsse nicht umgesetzt werden konnten und einige neue Ideen und Aktionen deswegen (vorerst) nicht angewandt wurden. Die Hauptseite ist jedoch positiv. Zentral dabei ist vor allem die Einbindung und Gewinnung neuer Genossen durch die Mobilisierungskampagne zum 1. Mai und dass die Reaktionen, Rückmeldungen und Erfahrungen aus dem Viertel in ihrer absoluten Mehrzahl positiv waren, unsere Arbeit bestätigten und ihrer Entwicklung dienten.
DIE DEMONSTRATION
Am 1. Mai selbst füllte sich der Karl-Marx-Platz zu den Klängen türkisch-kurdischer und arabischer revolutionärer Musik und rebellischem Rap nach 13 Uhr immer mehr. Nach einer Begrüßung und der Verlesung des Massenflugblatts, folgte die 1.-Mai-Erklärung der ADHK auf türkisch und deutsch und eine Rede der aus Cottbus angereisten Genossen von Red Liberation.
Im Anschluss gab es zwei kurze, kraftvolle Auftritte der Berliner Rapper Thawra und Taktikka, die untermauerten, dass die revolutionäre Musik unserer Klasse ein untrennbarer, positiver Teil unseres Kampfes ist. Während der Jugendwiderstand-Rede nahm die Demonstration Aufstellung und setzte sich mit ungefähr 300 Teilnehmern zügig in Bewegung.
Transparente mit den zentralen Losungen der Demonstration und von anderen solidarischen Organisationen und Gruppen wie FOR Palestine und Rote Aktion, zahlreiche rote Fahnen, Palästinafahnen, Fahnen von ADHK, Jugendwiderstand, Red Liberation und den Konterfeis von Marx, Lenin und Mao, viele Kufiyahs, rote Tücher und größtenteils jugendliche Teilnehmer verschiedenster Nationalität bestimmten den optischen Ausdruck der Demonstration. Der „Ausländerblock“ der Antikapitalistischen nichtweißen Gruppe unter der Losung „Wir können uns nur selbst befreien!“, mit vielen arabischen und kurdischen Sprechchören, und Anarchisten mit schwarz-rotem Hochtransparent, sorgten ebenfalls für ein vielfältiges und doch einheitliches Gesamtbild.
Vom Lautsprecherwagen wurden immer wieder Themen wie beispielsweise die Verdrängung aus Neukölln und der internationale Charakter des 1. Mai angerissen, passende Musik gespielt und Parolen vorgegeben. Internationalistische Parolen, „Unser Viertel, unser Kampf – die Jugend leistet Widerstand!“, „Flüchtlinge sind nicht das Problem, sondern dieses scheiß System!“, „Glaubt die Lügen der Ausbeuter nicht – die Rebellion ist gerechtfertigt!“ und „Die BRD ist nicht unser Staat – Alle Macht dem Proletariat!“, sowie „Brüder, Schwestern, reiht euch ein – wir können uns nur selbst befreien!“, „Nur der Griff der Massen zum Gewehr schafft den Sozialismus her!“ und „Die Straße frei – der roten Jugend!“ waren dabei immer wiederkehrende Sprechchöre der Demonstration.
Die Demonstration durchquerte währenddessen große Teile des Viertels, zunächst vom Karl-Marx-Platz in Richtung Rathaus Neukölln, dann über einen großen Teil der Sonnenallee und durch die Braunschweiger Straße am S-/U-Bahnhof Neukölln vorbei bis zur Hermannstraße, hoch in den Schillerkiez und erneut über die Hermannstraße zum Ende auf dem Hermannplatz. Die Route war so gewählt, um am Kampftag der Arbeiterklasse einen möglichst großen Teil des Neuköllner Nordens abzudecken und mit der Demonstration erreichen zu können. Während der kompletten Wegstrecke wurden auch Flugblätter an Passanten und Anwohner verteilt.
Bei der Zwischenkundgebung an der Hermannstraße/Ecke Emser Straße hielten dann FOR Palestine, die Antikapitalistische nichtweiße Gruppe und die ILPS (International League of People's Struggle) Redebeiträge. Philippinische Genossen von ILPS sangen danach das traditionelle „Lied der Hoffnung“ der philippinischen Arbeiter- und Volksbewegung zum 1. Mai: Awit ng Pag-asa.
Es gab auf der Route viele Solidarisierungen der Anwohnerschaft, auch mal Applaus von Balkonen und vor Cafés, Spätis, die revolutionäre Musik abspielten und Leute aus dem Viertel, die sich spontan der Demonstration anschlossen. Das beweist einerseits, warum Neukölln für die Entwicklung einer klassenbewussten, revolutionären Politik ein wichtiges Viertel ist und andererseits, welches Feedback man in den Massen durch eine sich entwickelnde revolutionäre Arbeit, bewusste und korrekte Wahl der Parolen und des Ausdrucks trotz der allgegenwärtigen antikommunistischen Hetze bekommen kann.
Die Länge der Route entsprach dem Zweck, lag jedoch insgesamt an der Grenze dessen, was für eine Demonstration angebracht ist, so dass zum Ende hin die Demo auch spürbar kleiner und ein Teil der Wegstrecke abgekürzt wurde.
Bei der Abschlusskundgebung auf dem Hermannplatz wurde dann neben revolutionärer Musik der politisch-ideologische Aufruf und eine gemeinsame Erklärung politischer und kämpferischer Gefangener zum 1. Mai verlesen und die Demonstration gegen 16:30 Uhr beendet.
EINSCHÄTZUNG UND AUSBLICK
„Es geht nicht darum, welche Quantität dabei im ersten Jahr erreicht wird, sondern den Tag endlich wieder unserer Klasse entsprechend, würdig und kämpferisch zu begehen.“ hatten wir Vorfeld festgelegt, und unsere Erwartungen waren dementsprechend niedrig gesteckt. 300 Teilnehmer bewerten wir im ersten Jahr der Wiederaufnahme der 13-Uhr-Tradition am 1. Mai, dem Stand der Entwicklung der revolutionären Arbeit im Viertel, der Stärke der Bewegung und dem Grad der Hetze gegen sie, auf jeden Fall als Erfolg.
Die Demonstration konnte komplett ohne Störungen und Probleme durchgeführt werden. Versuche antideutscher Reaktionäre im Vorfeld anarchistische Zusammenhänge gegen uns aufzuhetzen, scheiterten völlig. Bewusste Falschdarstellungen zum Zweck der Täuschung und Spaltung durch trotzkistische und mechanisch-dogmatische Kräfte im Nachhinein, sind Ausdruck eines reaktionären, bürgerlichen Politikstils, aber nichts, was uns weiter große Sorgen bereitet.
Dass es in Berlin am 1. Mai nach so vielen Jahren nun endlich wieder eine Demonstration gibt, die den Kampftag unserer Klasse mit proletarischem Internationalismus und revolutionärer Kiezpolitik vereint, am 1. Mai die Solidarität mit den Volkskriegen als den fortgeschrittensten Revolutionen unter kommunistischer Führung auf der Welt, in Tradition der Märsche der KPD zum Arbeiterkampftag und der von Revolutionäre Kommunisten (RK) organisierten Kreuzberger Demonstration, hochleben lässt und einen dementsprechenden antiimperialistischen, roten Ausdruck findet, sowie die Zeit im Vorfeld zur intensiven Politisierung, Mobilisierung und Organisierung der unteren Teile des Proletariats nutzt, begreifen wir als politischen Sieg unserer jungen Organisation. Es ist auch Ausdruck davon, dass antiimperialistische und revolutionäre Jugendstrukturen und die marxistisch-leninistisch-maoistische Bewegung in unserem Land insgesamt wieder im politischen und organisatorischen Aufschwung sind.
Wir werden alles tun, um diese Tendenz, gemeinsam mit den anderen antiimperialistischen und revolutionären Kräften weiter voranzutreiben und zu entwickeln. Wir müssen darauf aufbauen und unsere Schwächen, die sich dabei zeigen, bewusst überwinden. Wir freuen uns darauf, in Zukunft die Zeit um den ersten Mai noch besser und intensiver nutzen zu können, um der Entwicklung der revolutionären Bewegung und der kämpfenden Jugend gegen das imperialistische System, neue Kräfte zuzuführen und zu dienen. Die 13-Uhr-Demonstration ist wieder da.
Das kommende Kampfjahr wird ebenfalls von diesem Geist durchdrungen sein. Unsere gesamte politische und organisatorische Entwicklung muss diesen Sprung in der Arbeit nutzen, um den drängendsten Problemen unserer Bewegung, dem Fehlen einer anerkannten kommunistischen Avantgarde und den damit verbundenen Aufgaben gewachsen zu sein und an ihrer Lösung zu arbeiten.
Es lebe der internationale Kampftag der Arbeiterklasse!
Es lebe der 1. Mai!
Jugendwiderstand,
06.05.2016
Mehr Bilder: Kurzbericht und Bilder der 13-Uhr-Demonstration
Bilder der Mobilisierung auf: 1. Mai 2016 - 13 Uhr Berlin-Neukölln