Liebe Neuköllnerinnen und Neuköllner,
wir wollen euch herzlich dazu einladen, am diesjährigen 1. Mai um
13 Uhr am Neuköllner Karl-Marx-Platz zusammenzukommen und ein Zeichen
der Stärke und der Solidarität in unserem Kiez zu setzen.
1. Mai – unser Tag!
Der 1.Mai ist seit jeher der Tag der Arbeiter auf der ganzen Welt,
entstanden aus den Arbeitskämpfen der amerikanischen Fabrikarbeiter um
den 8-Stunden-Tag. Damals wurde der Streik blutig niedergeschlagen, wie
es die Herrschenden zu tun pflegen, wenn es ihnen an den Kragen geht.
Dann behaupten sie, sie hätten uns alles geschenkt, dabei wurde alles
hart erkämpft. Seit damals finden überall auf der Welt an diesem Tag
Demonstrationen und Kundgebungen statt.
Heute wie damals ist unser Alltag immer noch von Massenarmut,
Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit, Bullenstress und Verdrängung
geprägt. Noch immer werden Kriege auf dem Rücken der Völker geführt,
Tausende Menschen zur Flucht gezwungen und uns das dann als
„Flüchtlingsproblem“ verkauft; noch immer sind es Millionen, die hart
arbeiten, um überleben zu können und nur einige Wenige, die in Luxus
leben (und das sind in der Regel diejenigen, die für uns die politischen
Entscheidungen treffen oder für die wir arbeiten). Alles wird daran
gesetzt, uns vergessen zu lassen, dass Widerstand möglich und notwendig
ist.
Das Geld regiert
Wann können wir unsere Probleme auf die Straße tragen und zeigen,
dass wir die Schnauze voll haben – so, dass wir gehört werden? Wann
können wir die Kraft unserer Klasse und die Wut, die wir tagtäglich in
der Schule, auf Arbeit oder im Jobcenter spüren, zum Ausdruck bringen?
Und wir haben allen Grund wütend zu sein: Neukölln gilt als der
„Problembezirk“ Berlins, vor allem für seine Negativschlagzeilen wegen
„Ausländerproblem“ und „Jugendkriminalität“ bekannt. Neukölln ist einer
der ärmsten Bezirke Berlins; viele hier haben mehrere Jobs oder arbeiten
im Niedriglohnsektor. Die Kitas sind überfüllt und das Geld reicht oft
nicht aus, um die Familie anständig zu versorgen. Die soziale und
kulturelle Arbeit wird ständig gekürzt und die Jugendlichen hängen auf
der Straße ab, was oft mit einem Bulleneinsatz endet. Viele Familien
leben schon seit Jahrzehnten in den Neuköllner Kiezen, doch wird das
Wohnen auch hier immer teurer und deutlich abzusehen sind die Pläne zur
Umgestaltung Neuköllns zu einem „hippen“ Bezirk mit zahlungskräftigen
Anwohnern. Auf der Seite eines Luxusbauunternehmens heißt es:
„[…] das Neuköllner Gebiet nordöstlich des Hermannplatzes ist
besonders beliebt bei Studenten, Nachtaktiven und Künstlern jeder
Fasson. Darüber hinaus säumen zahlreiche Modeboutiquen, Designerläden,
Plattenläden sowie Cafés und Restaurants die Straßen (Nord-) Neuköllns.
[…] Mit dem Schillerkiez wurde die Entwicklung zu einer
Mittelschichtsgesellschaft in den begehrten Wohnlagen Berlins wieder
einmal vorangetrieben. Noch vor fünf Jahren wurde ein Gewerbeleerstand
beklagt. Die Gebäudesanierungen, die Preise für Hähnchen, Risotto und
Spätzle und die multikulturellen Neuberliner zeugen hingegen von einem
aufstrebenden Kiez mit zunehmenden Wohnraumbedarf.“
Es ist klar, auf wen diese Entwicklung abzielt: neues, kaufkräftiges
Klientel ohne Ausländerprobleme und Jugendkriminalität. In Neukölln sind
zahlreiche Bauprojekte geplant, angepasst an die Neuberliner mit dicker
Geldbörse. Wir werden uns die Mieten nicht leisten können. Aus einem
Arbeiter- und Migrantenviertel wird nach und nach eine schicke
Touristenattraktion „mit Berliner Flair“. Tatsache ist nur, dass sich
die Berliner das Flair und die Luxussanierungen ihrer Häuser nicht
leisten können, in dieser bürgerlichen „Demokratie“ aber keine Chance
haben, sich gegen die Zwangsumsiedlungen zu wehren – denn das Geld
regiert. Der Berliner Senat braucht keine Negativschlagzeilen – und wir
sind denen scheißegal.
Die Jugend
Die Jugend ist die Zukunft. Doch werden wir tagtäglich durch die
Medien dumm gehalten und von den Herrschenden für dumm verkauft. Wir
werden durch rassistische Vorurteile und falsche Propaganda
gegeneinander aufgehetzt und unser Bewusstsein durch Drogen vernebelt.
Wir werden wie Nutzvieh dazu erzogen, unser Leben lang für die Bonzen zu
schuften und das auch noch hinzunehmen, als wäre das normal. Das
bisschen Luxus, was uns als Lebensziel erscheint und was für die in den
Regierungssesseln und Chefetagen nur ein paar Brotkrumen sind, wird auf
dem Rücken von unseren Brüdern und Schwestern in den sogenannten
„Entwicklungsländern“ produziert. Sie verbluten für die Profite der
Großunternehmen und uns wird damit das Maul gestopft. Doch wo Elend
herrscht, da regt sich auch Widerstand. Schaut euch die Türkei,
Brasilien, Indien, Griechenland, Frankreich usw. an – dort wehren sich
die Menschen gegen die Ausblutung ihres Landes, gegen politische
Unterdrückung und rassistische Hetze. Sie tragen ihre Wut auf die Straße
– gemeinsam und stark, geben dem Staat Kontra. Es ist keine sinnlose
Zerstörungswut, sondern das Zeichen, dass etwas Neues entstehen muss.
Die Flüchtlinge
Groß geistert das Gespenst der Flüchtlinge durch die Massenmedien.
Sie sind angeblich für unsere wachsende Armut verantwortlich, nehmen uns
den Wohnraum weg und sorgen für steigende Kriminalität. Dass diese
Menschen sich auf der Flucht vor Zerstörung und Tod befinden, deren
Ursache die Kriege sind, die Staaten wie Deutschland auf der Jagd nach
Macht und Profit entfesseln, wird in den Medien erfolgreich
totgeschwiegen. Es ist viel einfacher die Menschen glauben zu lassen,
die Flüchtlinge seien an ihren Problemen Schuld. Lasst euch nicht
verarschen – steht zusammen gegen Ausbeutung und Unterdrückung!
Unser Kiez, unsere Straßen, unser Leben!
Neukölln hatte auf Grund seiner multikulturellen Zusammensetzung,
seiner ereignisreichen Geschichte und seiner Prägung als
„Arbeiterbezirk“ schon immer diesen Kampfgeist, an den wir jetzt
erinnern wollen. Damals, zu Zeiten der Nazi-Terrorherrschaft, wohnten
viele Widerstandskämpfer und -kämpferinnen in den Straßen und den
Häusern, in denen wir heute wohnen. Die meisten von ihnen waren
Kommunisten und wurden hart verfolgt – ganz einfache Arbeiter, Lehrer,
Sportler, Schüler und Studenten, die für eine bessere Zukunft gekämpft
und ihr Leben für uns gegeben haben. Am Blutmai 1929, wo auf einer 1.
Mai-Demonstration die Polizei wahllos in die Menge schoss, Wohnhäuser
mit Maschinengewehren angriff und über Berlin ein Ausnahmezustand
verhängt wurde, bekannte Neukölln Farbe: Rote Fahnen wurden aus
unzähligen Fenstern gehangen – ein Zeichen des Widerstands, der Kraft
und der Hoffnung allem zum Trotz!
Man kann nicht ewig wie ein Stück Vieh leben!
Glaubt nicht die Lügen, die Bild, BZ und Co verbreiten, die die
Politiker euch jeden Tag erzählen, lasst euch nicht gefallen wie sie
euer Viertel zerstören, euch das Geld aus der Tasche ziehen und sich mit
dem, was eure Hände schaffen, bereichern. Leistet Widerstand! Der 1.
Mai ist mehr als nur ein Feiertag in der Woche; er ist immer noch die
Demonstration der Stärke aller, die unter dem Kapitalismus leiden; hier
in Deutschland und auf der ganzen Welt.
Kommt zur 13-Uhr-Demonstration am 1. Mai in Berlin-Neukölln, habt Mut
zu kämpfen, habt Mut zu siegen! Zeigen wir ihnen, dass die Neuköllner
Straßen und Häuser nicht bloße Zahlenreihen sind, aus denen man Profit
schlagen kann, sondern voller Leben und dieses Leben stark ist und nicht
auf sich rumtrampeln lässt!
Neuköllner – wehrt euch und kämpft gegen Verdrängung, Perspektivlosigkeit, Ausbeutung und Unterdrückung!
Rebellion ist gerechtfertigt!
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