4. April 2015

Keine Auslieferung an die Türkei - Freiheit für Muzaffer Acunbay!

Wir veröffentlichen hier einen Artikel von uns, der in der lesenswerten Zeitschrift "Gefangenen Info" publiziert wurde. Versehentlicherweise steht dort geschrieben, der Text sei von ATIK Berlin.


Keine Auslieferung an die Türkei – Freiheit für Muzaffer Acunbay!

Muzzafer Acunbay ist ein Revolutionär aus der Türkei/Nordkurdistan. Und er ist eigentlich auch anerkannter politischer Flüchtling in der Schweiz. Trotzdem sitzt er seit nunmehr über sechs Monaten in Griechenland im Gefängnis und ihm droht überdies noch die Auslieferung an die Türkei, vor deren reaktionärer Verfolgung er damals floh.

In den 1990er Jahren wurde Muzzafer wegen Mitgliedschaft in der verbotenen Kommunistischen Partei der Türkei / Marxistisch-Leninistisch (TKP/ML) festgenommen und noch während der Vernehmung durch die Staatsbüttel schwer misshandelt und gefoltert. Es folgte eine Verurteilung zu lebenslanger Haft und viele Jahre „Gefängnisaufenthalt“, wie es seit jeher unzähligen Kommunisten, Revolutionären und fortschrittlichen Aktivisten in der Türkei ergeht, die der reaktionäre türkische Staat physisch und psychisch brechen will. Schließlich wurde er wegen seines überaus schlechten Gesundheitszustandes infolge eine Hungerstreiks vorübergehend freigelassen.

Im Jahre 2003 floh er in die Schweiz, wo im folgenden Jahr auch sein Asylgesuch als politischer Flüchtling anerkannt wurde. So lebte er dort seit zehn Jahren.

Am 20. Juli letzten Jahres wurde er dann in Orestiada in Griechenland bei der privaten Einreise in das Land auf Grundlage eines internationalen Haftbefehls der Polizeibehörde INTERPOL vom griechischen Zoll festgenommen. Und das obwohl sich Muzzafer vor der Griechenlandreise vorsorglich bei Schweizer Behörden erkundigt hatte, ob ein solcher Haftbefehl gegen ihn vorläge - was diese verneinten.

Seitdem sitzt er in griechischen Knästen und wartet auf ein Urteil, wie weiter mit ihm verfahren werden wird. In Griechenland sitzen neben vielen politischen und sozialen Gefangenen aus der eigenen revolutionären Bewegung auch einige türkische Sozialisten im Gefängnis und immer wieder gibt es Repressionsschläge gegen vermeintliche oder tatsächliche Auslandsstrukturen türkischer revolutionärer Parteien und Organisationen.

Am 7. November 2014 stimmte ein griechisches Gericht seiner Auslieferung an die Türkei zu. Daraufhin gab es in der folgenden Woche europaweit vom Migrantenverband ATIK und Unterstützern organisierte Kundgebungen vor griechischen Konsulaten und Botschaften, so in der Schweiz (Zürich, Bern, Basel), der BRD (Berlin, Stuttgart, Hamburg, Frankfurt) und Österreich (Wien), aber auch in Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden.

Auf diesen wurde seine sofortige Freilassung und Überstellung in die Schweiz gefordert und darauf hingewiesen, dass die Herrschenden mit dem Urteil ihrer Klassenjustiz im Fall Acunbay, wie so oft, gegen ihre eigenen bürgerlichen Gesetze verstießen. Denn nach der Genfer Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen von 1951 ist es unzulässig, einen anerkannten politischen Flüchtling an das Land, aus dem er aufgrund politischer Unterdrückung und Verfolgung geflohen ist, auszuliefern.

Außerdem machten die Kundgebungen darauf aufmerksam, dass Muzaffer im Falle einer Auslieferung nicht nur eine lebenslange Haft, sondern auch menschenunwürdige Isolation, völlig unzureichende medizinische Versorgung bis hin zu erneuter Folter erwarteten.
Durch den durch die Solidarität erzeugten Druck wird der Fall aktuell erneut verhandelt und es ist zeitnah mit einem neuen Urteil zu rechnen, das Muzaffer hoffentlich ermöglicht die nach türkischem und somit nach deutschem Vorbild (Stammheim) umgebauten griechischen Knäste endlich zu verlassen und in seine neue Heimat zurückzukehren.

De facto befinden sich die verschiedenen Regimes der Kompradorenbourgeoisie und des bürokratischen Kapitalismus der Türkei spätestens seit den aufkeimenden Arbeiter-, Bauern- und Studentenbewegungen der späten 60er-Jahre im Kriegszustand mit Teilen des Volkes und seinen kämpfenden Organisationen. Auch wenn dieser Fakt erst mit den Taksim- und Geziparkunruhen auch wieder verstärkt im breiteren Bewusstsein der radikalen Linken der imperialistischen Länder ankam, so war es doch nie anders und es sitzen konstant tausende Gefangene der verschiedenen revolutionären Parteien, Volkswiderstandsbewegungen und der nationalen Befreiungsbewegung ein und es kommen ebenfalls konstant immer neue hinzu.

Muzzafer Acunbay wurde damals verurteilt, Mitglied der TKP/ML zu sein. Die TKP/ML ist eine marxistisch-leninistisch-maoistische Partei die 1972 von Ibrahim Kaypakkaya im Alter von erst 23 Jahren gegründet wurde und seitdem an der Entwicklung der neudemokratischen Revolution arbeitet und demzufolge immer wieder harten Attacken des reaktionären türkischen Staats ausgesetzt ist. Ihr bewaffneter Apparat ist die Arbeiter- und Bauern Befreiungsarmee der Türkei, TIKKO.

Kaypakkaya, der bis heute als kommunistischer Führer und Vorbild der unbeugsamen Jugend, des Widerstands und des revolutionären Wegs zum Sozialismus in der Türkei, Kurdistan und darüber hinaus verehrt wird, steht wohl exemplarisch für den Umgang der weiterhin vom Imperialismus abhängigen Türkei mit revolutionären Gefangenen: Nachdem er nach einer bewaffneten Aktion 1973 in Gefangenschaft des Feindes geriet, und auch nach Monaten der Folter, der Verkrüppelung und des Verhörs standhaft blieb, nichts über die Partei verriet und sich nicht brechen ließ, wurde er von seinen Kerkermeistern hingerichtet und seine Leiche geschändet, noch bevor überhaupt ein Scheinprozess ihm die Möglichkeit gegeben hätte, das Gericht zu einer Plattform seiner revolutionären Ansichten und Überzeugungen zu machen. Das Buch über sein Leben „Blutiger Mai“ ist folgerichtig in der Türkei bis heute verboten.

Doch wie formulierte es die TKP/ML anlässlich des 40. Todestags von „Ibo“?
„Überall wo es Widerstände und Kämpfe gibt, lebt und kämpft Ibrahim Kaypakkaya weiter!“
Also kämpft auch in diesem Sinne weiter für die Freiheit von Muzzafer Acunbay und aller politischen Gefangenen!

Jugendwiderstand Berlin, Gefangenen Info Nr. 390 von Januar/Februar 2015

TMLGB - Die Jugendorganisation der TKP/ML