22. Oktober 2018

Statement der North East Antifascists [NEA] Berlin

Hiermit dokumentieren wir eine Erklärung der North East Antifa (NEA), die sich auf den beinahe tödlichen Angriff auf einen Genossen bezieht:

Erklärung der NEA zu Solidarität mit Betroffenen von Nazi-Gewalt


Am 4. September 2018 wurde ein Antifaschist in der U7 am Bayerischen Platz von einer Person niedergestochen, nachdem er diese auf die rechte Symbolik in ihrem Tattoomotiv konfrontierte. Über eine Woche lang erfolgte weder eine Skandalisierung der Tat, noch eine Solidarisierung mit dem Betroffenen aus der linken und antifaschistischen "Szene". Auch innerhalb linker Publikationsmedien und "Social"-Media-Seiten wurde der Angriff auf den Antifaschisten nicht thematisiert, obwohl sogar die bürgerliche Presse darauf reagierte. [1, 2, 3]

Wir, die North-East Antifascists Berlin [NEA], veröffentlichten eine Erklärung [4], in der wir uns mit dem Antifaschisten solidarisierten. Obwohl der Vorfall zu diesem Zeitpunkt schon zehn Tage her war, waren wir damit die erste antifaschistische Gruppe.

Der Umstand, dass der Betroffene aus dem Umfeld des Jugendwiderstandes kommt [5], führte offensichtlich dazu, dass sich Menschen bewusst nicht mit ihm solidarisierten, obwohl sie sich selbst als Linke, Antifaschist*innen und Kämpfer*innen gegen herrschende Systeme verstehen. Während normalerweise jede Online-Aktivität des Jugendwiderstandes akribisch verfolgt und jeder Text der Gruppe innerhalb kürzester Zeit in "sozialen" Medien zerrissen wird, wurde das Statement zu dem Vorfall und dem Versuch der Vereinnahmung durch Rechte offensichtlich bewusst übergangen.

Es gab sicherlich auch Antifaschist*innen, die sich nicht trauten, ihre Solidarität öffentlich zu zeigen, um nicht in der Szene anzuecken oder nicht genauso “gehated” zu werden, wie der Jugendwiderstand. Es ist erschreckend, wie hoch der soziale und politische Druck scheinbar ist, wenn Gruppen oder Einzelpersonen erst über mögliche Konsequenzen einer Solidarisierung nach einem so schweren Angriff nachdenken müssen, bevor sie sich äußern.

Es gab jedoch auch Menschen, die forderten, dass wir uns wieder entsolidarisieren oder "zumindest" den Link zur Website des Jugendwiderstandes entfernen, um dieser Gruppe keine Plattform zu geben [6, 7]. Damit wird eine Verschleierung der politischen Heimat des Antifaschisten gefordert. Getreu dem Motto: Wenn etwas nicht gezeigt wird, existiert es quasi auch nicht, als wäre es nie passiert.

Bei Angriffen Rechter auf Antifaschist*innen und andere Personen wird es jederzeit wieder Solidaritätserklärungen von uns geben. Wir solidarisieren uns mit allen Betroffenen von Nazi-Gewalt. Unabhängig davon, wie groß die Differenzen in der Praxis und ideologisch auch sein mögen, welchen politischen Background die Einzelnen haben oder mit welchen Gruppen sie sympathisieren. Eine erzwungene Distanzierung wird es von uns nicht geben. Es geht um Solidarität, nicht um Sympathie.

Der betroffene Antifaschist wurde angegriffen, weil er einen Nazi mutig konfrontierte – eine Situation, in die jede*r aktive Antifaschist*in kommen kann und in die viele gekommen sind. Denken wir an Silvio Meier und Carlos Palomino - Beide wurden aus einer vergleichbaren Situation heraus ermordet.
Der Antifaschist aus dem Umfeld des Jugendwiderstands lag mehrere Tage im Krankenhaus und hat viel Blut verloren. Sein Angreifer hat ihn absichtlich mit einer lebensgefährlichen Waffe angegriffen. Der Antifaschist hätte sterben können und hat nur mit Glück überlebt.

Auch wenn es nicht in das binäre "Freund*in/ Feind*in"-Denken einiger Leute hineinpasst: Er wurde angegriffen, weil er ein Antifaschist ist. Getroffen hat es ihn, aber gemeint sind wir alle.
Käme er aus einem anderen Kontext, hätte "die Szene" ihn und sein Überleben wohl gefeiert - so gab es Entsolidarisierungen und Nazivergleiche. [8, 9, 10]

Wie können Antifaschist*innen in Zukunft die Stärke aufbringen, in derartigen Situationen eine Konfrontation einzugehen, wenn sie sich linker Solidarität nicht gewiss sein können? Solidarität darf nicht von losgelösten Vorwürfen abhängen, die mit der konkreten antifaschistischen Intervention nicht das Geringste zu tun haben. Das verhindert jede politische Perspektive im Kampf gegen den Faschismus.

Weite Teile der radikalen Linken in Deutschland, insbesondere der im Bereich Antifaschismus tätigen, haben leider jegliches Gefühl für revolutionäre Perspektiven und Solidarität verloren, was auch dieser Fall ein weiteres Mal beweist.
Wir hatten die Hoffnung, dass die Leute die Spaltung bei einem so massiven Angriff für einen Moment beiseite lassen könnten. Wie unser Freund, Aktivist und Journalist Jan Schwab unter dem betreffenden Post anmerkte: „Es ist menschenverachtend, hier Unterschiede bei den Opfern zu machen." [11]

Was uns Mut macht:
Beinahe 450 Gruppen und Einzelpersonen teilten unsere Solidaritätserklärung alleine auf Twitter, zusätzlich wurde sie auch auf anderen "sozialen" Netzwerken geteilt. [12]

Dem gegenüber steht eine kleine, aber sehr laute Anzahl an Personen und Gruppen, an die wir appellieren, sich auf linke Grundwerte wie Solidarität zurückzubesinnen.
An diese Menschen wollen wir uns mit einem Zitat vom re:voltmag wenden, das ebenfalls unter den entsprechenden Post geschrieben wurde: „Fangen wir an, Klassenkämpfe zu führen, progressive soziale Bewegungen aufzubauen, anstatt affektiert auf bestimmte Gruppennamen zu reagieren und die Sprache der Repressionsapparate und politischen Gegner zu verwenden.“ [13] Dieser Forderung können wir uns nur anschließen.

Es muss also gelten:
Alle zusammen gegen den Faschismus! Gemeinsam gegen Kapitalismus und Patriarchat! 

North East Antifascists [NEA] Berlin - Antifa Nordost

Aktualisierte Version der Erklärung: http://antifa-nordost.org/7984/